Die Diagnose Marfan-Syndrom

Margit
Die Diagnose Marfan-Syndrom wurde bei mir erst ein Jahr nach der Akutoperation im herzchirurgischen OP des AKH Wien gestellt.

Nach einem kurzen Ruck, den ich hinter dem Brustbein verspürte, konnte ich mich noch bei meinem Arbeitskollegen bemerkbar machen. Aus dem Stehen fiel ich zu Boden, mein Kollege konnte mich gerade noch auffangen. Ich war sofort bewusstlos, zeichnete mit einem epileptischen Anfall und musste kurz beatmet werden.

Der diensthabende Oberarzt stellte den richtigen Verdacht, schickte mich ins Thorax CT (Computertomographie) und kündigte mich gleichzeitig im herzchirurgischen OP an. Mit der Diagnose einer ausgedehnten Aortendissektion (Lösung einzelner Gefäßwandschichten voneinander) kam ich vom CT zurück.

In den drei Stunden bis zur Operation kam ich nur drei Mal zu Bewusstsein, so kurz, dass es mir nicht möglich war, Fragen nach meinem Zustand zu stellen. Am nächsten Tag erwachte ich durch den Sog im Brustkorb, den ich beim Melken der Thoraxdrainagen verspürte. Drei von diesen Drainagen ragten aus meinem Körper. So war mir sofort klar, dass ich eine Herzoperation gehabt haben musste. Nachdem der Beatmungsschlauch entfernt war, erfuhr ich, dass die Aorta Ascendens + der Aortenbogen ersetzt waren, zwei Koronarbypässe inklusive.

Ich erkannte, dass ich die erste Überlebende in meiner Familie war. Mein Vater starb plötzlich im Alter von 35 Jahren als ich 2 ½ Jahre war, meine Großmutter im Alter von 36 Jahren, meine Tante, die Schwester meines Vaters im Alter von 42 Jahren, mein Cousin im Alter von 38 Jahren, bei den beiden letztgenannten wurden Aortenaneurysmen diagnostiziert.

1 ½ Jahre nach der Akutoperation war aufgrund der Erweiterung meiner restlichen Aorta die zweite Operation erforderlich. Thorakale und abdominelle Aorta mussten ersetzt werden. Allein der Gedanke an diese Operation machte mir Angst.

Nach beiden Operationen hatte ich anstrengende Rehabilitationsphasen zu bewältigen. Allen Personen, Ärzten, Pflegepersonen, Therapeuten, Arbeitskollegen, Familie und Freunden, die mich in dieser Zeit in vielfältiger Weise unterstützt haben, möchte ich herzlich DANKE sagen.

Mein Leben hat sich verändert. Zur Erhaltung meiner Lebensqualität muss ich körperliche Belastungen, wie Heben von mehr als 3 kg und ruckartige Bewegungen jeglicher Art unterlassen. Meinen Beruf als Intensivschwester kann ich leider nicht mehr ausüben.

Nach ein paar Jahren wurde im CT ein neues Aneurysma im thorakalen Bereich festgestellt. Ich wurde informiert, dass ich einen Stent brauche und dass die Komplikationen bis zu einer Hohen Querschnittlähmung gehen können. Wieder machte sich Angst in meinem Körper breit. Die Querschnittlähmung wollte ich unbedingt verhindern. So setzte ich alles daran um herauszufinden, wie ich erreichen kann, Kollateralgefäße zum Wachsen zu bringen. Meine Erkundungstour führte mich zu mehreren Spezialisten quer durch Europa. Die Information, die Systole (oberer Blutdruckwert) nicht über 100mmHg steigen zu lassen, erschien mir sinnvoll und die Umsetzung wurde nun mein tägliches Ziel. Durch einen ORF2-Beitrag im Dezember 2015 wurde ich auf einen hervorragenden Gefäßchirurgen aufmerksam und so setzte er mir im April 2016 einen Stent mit Perfusionsbranch erfolgreich in die Gefäßprothese, als Überbrückung des nunmehr auf 7 cm Durchmesser angewachsenen Aneurysma ein. Der Perfusionsbranch wurde im Juli 2016 verschlossen. Zu meiner großen Freude konnte ich danach alles bewegen. Es gelang mir auch, neu dazugekommene Rücken- und Narbenschmerzen sowie Schmerzen beim Gehen im linken Bein, weg zu trainieren.

Marfan-Syndrom ist eine seltene Krankheit, die laufend fortschreitet. Selbst in einer Familie kann die Krankheit verschiedene Gesichter haben. 45 Jahre gehörte ich selbst zur Dunkelziffer, die über ihre Krankheit nicht Bescheid weiß. Ich war mit meinen Fragen alleine. Oft habe ich mir gewünscht, für das Rätsel in mir eine Lösung zu finden, auf jemanden zu treffen, der mir weiterhilft. Ärztliche Aussagen wie: „Sie haben ja eine Wirbelsäule wie eine 75jährige!“ oder „Tuan’s hoit Bluatdruck messen!“ haben mir nicht weitergeholfen, ich zog mich zurück und schaffte es leider nicht, rechtzeitig konsequent nach der Ursache des Problems zu suchen. Bis zur Akutoperation dachte ich, dass die Verkrümmung der Wirbelsäule meine größte körperliche Schwäche wäre.

Wünsche…

Ich wünsche mir, dass es mir weiterhin gelingt, mit den Ressourcen meines Körpers so zu haushalten, damit der nächste stationäre Krankenhausaufenthalt nicht notwendig wird.

Ich wünsche mir genügend Kraft und Zeit, mit meinem Engagement beitragen zu können, Schicksale die meinem ähnlich sind, zu verhindern und betroffenen Personen mit Rat und Tat beistehen zu können.