Erfahrungsberichte
Unsere ganz persönlichen Geschichten.
Jasmin
Bei mir (39 Jahre) wurde das Marfansyndrom voriges Jahr (2007) genetisch festgestellt. Natürlich war ich sehr geschockt, weil ich zuvor noch nie von dieser Krankheit gehört hatte. Rückblickend hatte ich in meiner Kindheit und Jugend keine außergewöhnlichen Krankheiten, ausgenommen meine Augenoperation (Linsenluxation) und – da ich mit 175cm größer als der Durchschnitt bin – Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung).
Leider wurde nach der Feststellung des Marfansyndroms bei einer Untersuchung (CT) auch ein Nierenarterienaneurysma entdeckt. Besser erklärt, es ist eine Ausdehnung der Arterie, die zur Niere führt. Ohne Operation würde die Arterie früher oder später wahrscheinlich platzen. Dieses Nierenarterienaneurysma ist aber eher untypisch für das Marfansyndrom. Nun versuche ich mich mit der Krankheit „anzufreunden“. Die Frage ist immer die, ist es besser, man weiß es oder man weiß es nicht? Die Arztbesuche (Augen, Kardiologe, Orthopäde) sind jetzt ein bisschen mehr geworden, aber sonst hat sich mein Leben nicht sehr viel geändert. Ich versuche trotz dieser Diagnose positiv in die Zukunft zu blicken, und wünsche allen Marfan Betroffenen und Angehörigen alles Gute. Es würde mich freuen, einige andere Marfan-Betroffene kennenzulernen, um uns gegenseitig zu beraten und Erfahrungen auszutauschen. In diesem Sinne noch einen positiven Satz „Marfan ist zwar unheilbar, aber nicht unbehandelbar“.
Margit
Was tut der Elefant auf meiner Brust
An einem Freitag im Februar 2014 nach einer eher ruhigen Arbeitswoche fuhr ich mit meiner Familie in unser Wochenendhaus. Ich wollte gerade Abendessen kochen, plötzlich durchbohrte ein gewaltiger Schmerz von der Brust bis in den Rücken meinen Körper. Es fühlte sich an als ob ein Elefant auf meinem Brustkorb sitzen würde. Meine Tochter begleitete mich zum Bett und rief sofort die Rettung.
Ich wollte nicht mehr atmen weil es weh tat, aber meine Tochter gab mir Atemkommandos, die ich nur ihr zuliebe befolgte. Der Notarzt versorgte mich mit Blutdrucksenkern und Schmerzmittel und es war schnell klar, dass es kein Herzinfarkt war, sondern dass irgendetwas mit der Aorta sein könnte. Deshalb wurde ich liegend in den Rettungswagen
gebracht. In der Klinik im Waldviertel wurde nach einem CT eine Aortendissektion der absteigenden Aorta diagnostiziert. Ich wurde nach Wien auf eine Herzchirurgie gebracht.
Gott sei Dank war eine OP nicht notwendig und ich wurde konservativ mit Blutdrucksenkern auf der Überwachungsstation behandelt.
Dort wurde mir dann mitgeteilt, dass ich eventuell das Marfan Syndrom haben könnte. Vor allem weil ich 10 Jahre vorher wegen eines Aortenaneurysmas meine Aorta samt Herzklappe ersetzt werden musste. Außerdem ist mein Vater mit 36 Jahren an einer Aortenruptur verstorben. Ich bin sehr groß, habe eine Sehschwäche, eine kaputte Hüfte und Hammerzehen.
An der MedUni Wien wurde eine genetische Untersuchung durchgeführt und das Marfan Syndrom diagnostiziert. Neben mir wurden meine Mutter, meine Geschwister sowie unsere Kinder getestet. Sowohl Bruder und Schwester sind positiv, unsere Kinder alle negativ. Wir hatten die Krankheit von unserem Vater geerbt. Leider ist bis zu meinem 54. Lebensjahr kein Arzt auf die Idee gekommen dass es Marfan sein könnte.
Meine Geschwister und ich gehen nun regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen. Sowohl mein Bruder als auch meine Schwester haben beide auch schon einen Aortenersatz. Diese Operation ist zwar nicht angenehm, aber wenn sie geplant und vorbereitet ist, besteht kaum ein Risiko. Ich war nach der Dissektion noch einige Jahre berufstätig, allerdings musste ich feststellen, dass der unvermeidbare Stress nicht so gut für mich war und mir wurde eine Berufsunfähigkeitspension bewilligt.
Manchmal denke ich mir, ob mir und meinen Geschwistern vielleicht doch einiges erspart geblieben wäre, wenn wir keine schweren Kisten und Strohballen geschleppt hätten, wenn ich nicht Scheibtruhen mit Beton herumgefahen hätte usw. Ich achte sehr darauf, dass mein Blutdruck niedrig ist, ich achte sehr darauf nichts Schweres zu hebe und mache moderaten Sport wie Radfahren, Walken od. Gymnastik. Weiters engagiere ich mich ehrenamtlich, verreise gerne, singe in einem Chor, gehe gerne ins Theater und treffe mich mit Freunden. Dabei muss ich darauf achten mir immer wieder genügend Ruhepausen zu gönnen. Es gibt Tage an denen ich sehr viel schaffe, dann aber auch wieder Zeiten wo ich nicht so leistungsfähig bin – das zu akzeptieren fällt mir nicht immer leicht.
Alles in Allem hatte ich aber großes Glück und bin der Medizin dankbar, dass ich ein gutes Leben führen kann.
Ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht
Es war im Dezember 2001. Herzrasen mitten in der Nacht. Nicht einmal, sondern ein paar Nächte hintereinander. Nun ja, geh ich wohl besser zum Arzt – nach einem
EKG sagte mir dieser das Ich einfach Überanstrengt von der Arbeit bin (ja, bei uns ist Hochsaison um diese Zeit- Vollstress!), ich solle ein bisschen ruhiger treten. Auch nicht so einfach, in dieser hektischen Zeit aber muss wohl sein.
Ein paar Tage später noch immer nicht besser, immer wieder Herzrasen, Herzrythmusstörungen und nicht zu vergessen das Stiegen steigen – 1. Stock und ich bin schon voll außer Puste! Was ist los mit mir? Zuviel geraucht?
Also wieder zum Arzt, der macht wieder ein EKG und meint „Irgendetwas stimmt nicht“ – ich solle sofort zum Internisten gehen. Beim Arzt war ich um 15.30 Uhr beim Internisten um 17.30………. in der Klinik um 19.30! Aortenaneurysma mit 8,5cm Durchmesser! Als mein Internist die Diagnose machte, war er sichtlich nervöser als ich – er wusste ja was ich hatte – mir sagte ein Aortenaneurysma gar nichts – schon gar nicht die drohende Gefahr. In der Klinik bestätigte man dann nach ein paar weiteren Untersuchungen dieses Aneurysma und zum Ersten Mal tauchte der Name „Marfan Syndrom“ auf. Ich war 33 Jahre, frisch verheiratet, selbstständig mit 30 Mitarbeitern und nun das!
Marfan was ist das?
Nach ein paar Tagen in der Klinik war ich schon informierter. O.k. ich habe das Marfan Syndrom. Aber wie geht’s jetzt weiter. Und vor allem mit dem Aneurysma?
Man entschloss sich zu einem geplanten Eingriff Anfang Jänner 2002. Diese Sylvester waren alles andere als eine riesen Party für mich. Am 2. Jänner in die Klinik, dann ein paar Tage drauf die 1. Operation. Neue Aortenklappe und neuer Aortenbogen werden nach Bentall operiert. Warum die 1. Operation, nun ja. Nach 14 Tagen bekam ich einen Perikarderguss am Herz. Es war ein Samstag und ich lag schon auf einer Reha-Anstalt zur Genesung. Gegen mittags kam meine damalige Frau und ich klagte über Schmerzen hinter dem linken Schulterblatt – starke Schmerzen. Der diensthabende Primar gab mir ein paar Schmerzmittel – jedoch ohne Wirkung. Es wurde immer schlimmer – der Primar meinte nur „Dies war ja keine Blinddarmoperation – da können schon mal solche Schmerzen auftreten!“. Doch meine Frau erkannte die damalige Situation besser als der Primar. Und nach dem dieser trotz mehrfachem Nachfragen bezüglich der Schmerzbehandlung nicht von seiner „Blinddarm-These“ abwich, bestand meine Frau darauf mich sofort wieder in die Klinik verlegen zu lassen. Sofort und nicht morgen. Irgendetwas stimmte nicht mit mir – das spürte Sie einfach! So, also mit Blaulicht wieder zurück in die Klinik und nach einer kurzen Untersuchung die Diagnose Perikarderguss am Herzen. Sofort Notoperation – und das am Samstag um 17.00. Irgendwann wachte ich dann wieder auf – Intensivstation. Zum 2.mal innerhalb von 14 Tagen. Aber zum Glück ist die OP diesesmal gut verlaufen. Herz-Intensivstation. Und das für ca. 3 Wochen. Eines von vielen prägenden Erlebnissen in diesen Woche war, als sich die Schwestern eines Nachts unterhielten und sagten „Wir hatten schon lange keine Herzstillstand mehr“ – ja und dann 2 Stunden später war ein Herzstillstand bei einem meiner „Mitbewohner“ auf der Intensivstation. Ich dachte mir nur – wo bin ich hier gelandet? Die Schwestern und Ärzte glauben anscheinend man hat keine Ohren und keine Augen im Kopf – echt heftig!
Anschließend kam ich dann in ein Rehazentrum für Herz- Kreislauferkrankungen. Der 1. Tag dort war sehr interessant – ich kam ziemlich schlapp und müde in den Patienten Essensaal für das gemeinsame Abendessen, es wurde mir ein Tisch zugewiesen und plötzlich wurde mir klar – ich bin der absolut Jüngste hier von den ganzen Rehapatienten. Das Durchschnittsalter war mindestens doppelt so hoch wie meine 33 Jahre. Es waren aber zum Glück sehr nette Menschen um mich und ich erholte mich so weit wieder, dass ich nach 4 Wochen wieder entlassen werden konnte und das erste Mal seit ca. 3 Monaten nach Hause kam. Nach Hause heißt auch in die Firma kam. Aber dies wäre eine eigene Geschichte. Bis zum Jahre 2013 waren dann zum Glück keine größeren Probleme aufgetaucht. Abgesehen von einer Netzhautablösung, die mit einer Blombe wieder fixiert wurde sowie einer Linsenluxation am linken Auge. Bis zum August 2013. Es war ein schönes Sommer-Wochenende. Kurzurlaub in Italien. Plötzlich in der Früh ein komisches Gefühl im Mund und ich war müde und irgendwie Nicht wirklich fit. Ich legte mich wieder ins Bett – aber als es am Nachmittag immer noch nicht besser war, ich hatte inzwischen Probleme mit dem Gleichgewicht und auf einem Auge sah ich irgendwie nicht richtig, entschieden wir uns ins nahegelegene Krankenhaus zu fahren. Es war Freitag Nachmittag, die Ambulanz war übervoll –
aber mit meinem internationalen Marfan-Ausweis kam ich innerhalb von 10 min. zu einem Arzt. Verständigung auf Englisch ….. und nach ein paar Untersuchungen kam
der Arzt zur Überzeugung mir fehlt nichts. EKG und Echo sind zum Glück in Ordnung. Für die Kopfschmerzen soll ich soll eine Kopfschmerztablette nehmen. O.k. Gesagt und getan.
Am nächsten Tag ging es mir immer noch nicht besser und wir beschlossen nach Hause zu fahren und dort in die Klinik zu gehen – die kannten mich ja schon recht gut. Es war dann Samstag Abend, man hatte ein Computertomografie gemacht und ein Gespräch mit einem Neurologen und dann war die Diagnose auf dem Tisch: Schlaganfall! Schon der Dritte oder Vierte! In diesem Moment war ich recht stumm und musste einmal in mich gehen. Ich hatte bis dato keine Schlaganfälle bemerkt bzw. nichts was irgendwie darauf hin gedeutet hätte. Außer dieser jetzt, der letzte – ich habe eine sogenannte homonyme Quadrantenanopsie. Das heißt eine Gesichtsfeldeinschränkung nach links oben! Und nun wusste ich auch warum ich seit ca. 1,5 Jahren immer wieder Schwindelanfälle hatte – das war dies Auswirkung eines der vorherigen Schlaganfälle! Aber zum Glück hatte ich keine sonstigen Lähmungserscheinungen oder sonstigen neurologischen Störungen. Nun ja, 14 Tage in der Klinik und anschließend auf Reha in einer Spezialklinik für Neurologie. Alles perfekt, aber leider hatten Sie große Probleme meine „Blutverdünnung“ einzustellen. Einmal hatte ich einen INR von 1,8 und dann wieder das doppelte davon. Meine Psyche war deshalb sehr angeschlagen. Auch deshalb da man sehr schwere Fälle von Schlaganfällen sieht und einem erst bewusst wird, welch großes Glück man selber hatte. Es war eine Achterbahn der Gefühle in diesen 4 Wochen auf Reha aber letzten Endes war ich natürlich trotzdem sehr froh dort gewesen zu sein. Inzwischen war ich dann auch wieder in der Klinik zur Nachuntersuchung für die Augen. Dort haben Sie mir ein Computerprogramm empfohlen mit dem ich meine Gesichtsfeldeinschränkung vielleicht etwas verbessern kann. Bis jetzt bin ich fleißig beim 2maligen täglichen Üben dieses Computerprogrammes, für mich scheint diese Gesichtsfeldeinschränkung noch immer gleich zu sein – aber ich hoffe das es doch eine Besserung gibt. Heute hatte ich eine weitere Augenuntersuchung. Hurra! Ja, ich darf wieder mit dem Auto fahren – was ist das wieder für ein Gefühl der Freiheit! Das ist ein wirklich großer Schritt für mich …… ab jetzt geht’s wieder aufwärts! Wie es weiter geht? Einfach nicht den Mut verlieren und positiv denken. Der Glaube an Gott hat mir schon über viele schwere Stunden geholfen und ich Danke Gott jeden Tag das es mir so gut geht – den es könnte alles noch viel schlimmer sein!
Jetzt 2019 geht es mir sehr gut, ich bin mittlerweile in Pension, genieße jeden Tag und unternehme gerne mehrmals jährlich Reisen.
Berufswunsch
Mein erster Berufswunsch war Prinzessin. Nichtstun, schön aussehen, Menschen herum scheuchen, ein Traumjob. Auf einem Bergbauernhof aufgewachsen war ich Nichtstun nicht unbedingt gewöhnt.
Tägliche Arbeit mit unseren Tieren und in der Natur ist zwar schön, aber wenn man Nichtstun nicht kennt, reizt es schon auch.
Mit 12 Jahren wurde Nichtstun jedoch zu meinem täglichen Begleiter, aufgrund einer genetischen Bindegewebsschwäche, dem Marfan Syndrom und meiner Hüfte die aufgrund des Marfan Syndroms laut Arzt „die einer 80ig Jährigen“ war. Es folgten zwei Jahre auf Krücken und danach eine Hüftprothese. Dieses Marfan Syndrom hat seine Finger in so ziemlich allem drin, was der Körper zu bieten hat. Bei mir sind, Gelenke, Augen, Haut, Herz und Ausdauer/Leistungsfähigkeit betroffen. Aufgewachsen auf einem Bergbauernhof und tägliche körperliche Arbeit gewohnt, fühlte ich mich damals sehr behindert, verdammt zum Nichtstun – zum unnütz sein.
Gern hätte ich mich in Selbstmitleid vergraben, aber meine Eltern waren da eher verständnislos. Zu jammern und zu lamentieren bringe keinem etwas, ich könne immer noch gleich viel leisten wie alle anderen, eben anders, gab mir meine Mutter zu verstehen. Ich lernte also zu kochen, das ging mit Krücken. Trotzdem litt mein Selbstbewusstsein sehr. Viele Fehlstunden und wenig Energie für Schule brachten mir ein mittelmäßiges Zeugnis und ein skeptisches Kopfschütteln meines Lehrers auf den von mir geäußerten Wunsch nach einer weiterführenden Schule mit Matura-Abschluss.
Eingeschüchtert von der Ablehnung meiner Lehrer und mancher Bekannter machte ich mich jedoch mit meinen Eltern auf die Suche nach einer passenden weiterführenden Schule. Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass meine Eltern sich damals viele Gedanken um mich machten. Der Weg eines Lehrberufes, wie ihn meine Eltern und der Großteil unserer Verwandten und Bekannten gegangen sind, kam für mich nie in Frage.
Nach einigem hin- und her und dem charmanten Hinweis einer Direktorin einer Privatschule, dass ich wohl nur für eine dreijährige Ausbildung fit genug wäre fanden ich jedoch mit meinen Eltern gemeinsam eine kreative Lösung. Ich ging in die Handelsakademie eine Autostunde entfernt von meinem Wohnort und lebte dort als einzige HAK-Schülerin im Internat einer anderen Schule (besagte Privatschule, die mich für zu behindert hielten 😉 ) Was soll ich sagen, ich war GUT! Mit der Freiheit mir meine Zeit selbst einzuteilen und schöne Ruhepausen machen zu können, bekam ich hervorragende Noten. Mein sehr verständnisvoller Lehrer gab mir das Gefühl vom Unterricht zu gehen, wann immer ich das brauchte und auf das Ergebnis bin ich stolz. Eine fast ausgezeichnete (Ja, hab bei der Mathe Matura nicht so schön gezeichnet – danke kaputtes Marfan Auge) Matura.
Diesen Schritt geschafft zu haben, wagte ich mich auf in das Studienleben. Ich begann in Klagenfurt Publizistik und Kommunikationswissenschaften zu studieren. Anfangs hatte ich auch dort Angst, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, zu dumm zu sein oder zu müde – aber das hat sich nicht bestätigt. Ich bin jetzt am Ende meines Studiums, habe ein Auslandssemester in Schweden verbracht, ein halbjähriges Praktikum in einem sehr renommierten Verein hinter mir und 10 Monate für die Österreichische Hochschülerschaft gearbeitet. Ich habe gezeigt, dass ich in meine Projekte 100 % Herz investiere und habe von Großevents bis zu Studentenführern so einiges vorzuweisen, was ich geschafft habe.
Zu jedem Zeitpunkt haben mich meine Eltern unterstützt, meine Entscheidungen gut geheißen und mir immer das Gefühl gegeben, dass ich keine Grenzen habe.
Margit
Die Diagnose Marfan Syndrom wurde bei mir erst ein Jahr nach der Akutoperation im herzchirurgischen OP des AKH Wien gestellt.
Nach einem kurzen Ruck, den ich hinter dem Brustbein verspürte, konnte ich mich noch bei meinem Arbeitskollegen bemerkbar machen. Aus dem Stehen fiel ich zu Boden, mein Kollege konnte mich gerade noch auffangen. Ich war sofort bewusstlos, zeichnete mit einem epileptischen Anfall und musste kurz beatmet werden.
Der diensthabende Oberarzt stellte den richtigen Verdacht, schickte mich ins Thorax CT (Computertomographie) und kündigte mich gleichzeitig im herzchirurgischen OP an. Mit der Diagnose einer ausgedehnten Aortendissektion (Lösung einzelner Gefäßwandschichten voneinander) kam ich vom CT zurück.
In den drei Stunden bis zur Operation kam ich nur drei Mal zu Bewusstsein, so kurz, dass es mir nicht möglich war, Fragen nach meinem Zustand zu stellen. Am nächsten Tag erwachte ich durch den Sog im Brustkorb, den ich beim Melken der Thoraxdrainagen verspürte. Drei von diesen Drainagen ragten aus meinem Körper. So war mir sofort klar, dass ich eine Herzoperation gehabt haben musste. Nach dem der Beatmungsschlauch entfernt war, erfuhr ich, dass die Aorta Ascendens + der Aortenbogen ersetzt waren, zwei Koronarbypässe inklusive.
Ich erkannte, dass ich die erste Überlebende in meiner Familie war. Mein Vater starb plötzlich im Alter von 35 Jahren als ich 2 ½ Jahre war, meine Großmutter im Alter von 36 Jahren, meine Tante, die Schwester meines Vaters im Alter von 42 Jahren, mein Cousin im Alter von 38 Jahren, bei den beiden letztgenannten wurden Aortenaneurysmen diagnostiziert.
1 ½ Jahre nach der Akutoperation war aufgrund der Erweiterung meiner restlichen Aorta die zweite Operation erforderlich. Thorakale und abdominelle Aorta mussten ersetzt werden. Allein der Gedanke an diese Operation machte mir Angst.
Nach beiden Operationen hatte ich anstrengende Rehabilitationsphasen zu bewältigen. Allen Personen, Ärzten, Pflegepersonen, Therapeuten, Arbeitskollegen, Familie und Freunden, die mich in dieser Zeit in vielfältiger Weise unterstützt haben, möchte ich herzlich DANKE sagen.
Mein Leben hat sich verändert. Zur Erhaltung meiner Lebensqualität muss ich körperliche Belastungen, wie Heben von mehr als 3 kg und ruckartige Bewegungen jeglicher Art unterlassen. Meinen Beruf als Intensivschwester kann ich leider nicht mehr ausüben.
Nach ein paar Jahren wurde im CT ein neues Aneurysma im thorakalen Bereich festgestellt. Ich wurde informiert, dass ich einen Stent brauche und dass die Komplikationen bis zu einer Hohen Querschnittlähmung gehen können. Wieder machte sich Angst in meinem Körper breit. Die Querschnittlähmung wollte ich unbedingt verhindern. So setzte ich alles daran um herauszufinden, wie ich erreichen kann, Kollateralgefäße zum Wachsen zu bringen. Meine Erkundungstour führte mich zu mehreren Spezialisten quer durch Europa. Die Information, die Systole (oberer Blutdruckwert) nicht über 100mmHg steigen zu lassen, erschien mir sinnvoll und die Umsetzung wurde nun mein tägliches Ziel. Durch einen ORF2-Beitrag im Dezember 2015 wurde ich auf einen hervorragenden Gefäßchirurgen aufmerksam und so setzte er mir im April 2016 einen Stent mit Perfusionsbranch erfolgreich in die Gefäßprothese, als Überbrückung des nunmehr auf 7 cm Durchmesser angewachsenen Aneurysma ein. Der Perfusionsbranch wurde im Juli 2016 verschlossen. Zu meiner großen Freude konnte ich danach alles bewegen. Es gelang mir auch, neu dazugekommene Rücken- und Narbenschmerzen sowie Schmerzen beim Gehen im linken Bein, weg zu trainieren.
Marfan-Syndrom ist eine seltene Krankheit, die laufend fortschreitet. Selbst in einer Familie kann die Krankheit verschiedene Gesichter haben. 45 Jahre gehörte ich selbst zur Dunkelziffer, die über ihre Krankheit nicht Bescheid weiß. Ich war mit meinen Fragen alleine. Oft habe ich mir gewünscht, für das Rätsel in mir eine Lösung zu finden, auf jemanden zu treffen, der mir weiterhilft. Ärztliche Aussagen wie: „Sie haben ja eine Wirbelsäule wie eine 75jährige!“ oder „Tuan’s hoit Bluatdruck messen!“ haben mir nicht weitergeholfen, ich zog mich zurück und schaffte es leider nicht, rechtzeitig konsequent nach der Ursache des Problems zu suchen. Bis zur Akutoperation dachte ich, dass die Verkrümmung der Wirbelsäule meine größte körperliche Schwäche wäre.
Wünsche…
Ich wünsche mir, dass es mir weiterhin gelingt, mit den Ressourcen meines Körpers so zu haushalten, damit der nächste stationäre Krankenhausaufenthalt nicht notwendig wird.
Ich wünsche mir genügend Kraft und Zeit, mit meinem Engagement beitragen zu können, Schicksale die meinem ähnlich sind, zu verhindern und betroffenen Personen mit Rat und Tat beistehen zu können.
Martin P.
Julia
Mein Name ist Julia, ich komme aus Südtirol und bei mir wurde im Alter von 23 Jahren das Marfan-Syndrom diagnostiziert. Bereits als Kind hatte ich häufig Gelenkschmerzen, speziell bei den Knien. Ich habe außerdem einen Mitralklappenprolaps und seit der Diagnose des Marfan-Syndroms nehme ich Betablocker ein. Ansonsten geht es mir glücklicherweise recht gut, ich kämpfe zwar fast täglich mit Rückenschmerzen – vor allem beim langen Sitzen in der Uni, bin aber froh, dass mir bis dato nicht mehr fehlt.
Ich bin auffällig groß und gelenkig, woran man das Syndrom bei mir von Außen erkennen kann.
„Mein Ziel ist es glücklich zu sein, nicht perfekt.“ – Das sollte sich jeder vor Augen halten und jeden Tag genießen, auch wenn‘s nicht immer einfach ist.
Der Austausch in der Gruppe hat mir viel gebracht und zeigt einem immer wieder, dass man mit der Krankheit nicht allein ist. Zusammen sind wir stark!
